
Ein Bericht von Roland Fuchs:
Alter hat Klasse,
war das Motiv von Paul Thelen und Roland Fuchs, diesen Ultra-Radmarathon von der deutschen West- zur Ostgrenze anzugehen. 800 km und 8000 hm non-stop mit dem Fahrrad mit 78 Jahren, ist eine Grenzüberschreitung. Nach einem systematischen Training, einschließlich mehrerer Nachtfahrten waren wir gut vorbereitet, dieses eigentlich nicht machbare Rennen zu bestreiten. Mein persönliches Ziel war, die 800 km in weniger als 48 Stunden zu bewältigen, idealerweise im vorgegebenen Zeitlimit von 42 h zu bleiben.
Der Abschnitt bis Bonn verlief besser als gedacht mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27 km/h. Der Westerwald blieb seinem Ruf, sehr herausfordernd sein, gerecht mit einer Maximalsteigung von 18%. Erschwerend kamen Gewitter mit Blitz und Donner, teilweise mit Stark- und zweimal Dauerregen hinzu, die insgesamt 3h-Zwangspause forderten und den Zeitplan gehörig durcheinander brachten.
Nach 340 km in Bad Hersfeld Wechsel der völlig nassen Sachen, Essen, ein kleines Frühkölsch 90 Minuten wohltuende Pause mit Tiefschlaf. Danach weiter durch die Nacht. Zum Sonnenaufgang Gruß von der Wartburg majestätisch auf dem Rennsteig bei Eisenach. Aufkommen massiver Magenschmerzen mit der Unmöglichkeit, die vorbereiteten hochkalorischen Isotrinks runterzukriegen. Beim Weiterfahren Zunahme der gastrischen Brennschmerzen mit stärken werdendem Sodbrennen mit aufkommendem Zweifel an der Weiterfahrt. Die Rettung war Pantoprazol aus einer Apotheke an einer Durchfahrtsstraße. Danach ging es zunächst noch gehandicapt, langsam, aber immerhin weiter. Die Flüssigkeitszufuhr ging nur mit klarem Wasser. Kalorienersatz, einzig möglich, Rosinenbrot mit Butter. Am Nachmittag Nachlassen der akuten Gastritissymptomatik. Dafür zwischen Naumburg und Zeitz erneut Gewitter mit heftigem Platzregen, wieder alles nass und Zwangspause.

Nach Rückkehr der Kräfte flotte Fahrt durch das südliche Leipziger Region mit wellig-bergiger Landschaft des nördlichen Erzgebirges. Nachtfahrt trocken, kalt und anstrengend in Richtung Oberlausitz nach Wilsdruff. 20 km vorher tauchte unvermittelt an einer Ampel der 38-jährige RAG-Racer Friedhelm aus Schleswig-Holstein auf. Mit ihm war ich mehrere Abschnitte gemeinsam gefahren und wusste, dass ich aufgrund seines höheren Hangabtriebskraftfaktors in gemeinsamer Fahrt mit ihm den Rest der Strecke bewältigen kann. Als unsupported haben wir Friedhelm mit unserem reichlichen Bestand an Essen und Trinken versorgt und die letzten 140 km zusammen in Angriff genommen. So konnte mein ausgezeichnet agierende, sehr fürsorgliche Coach Rainer Schwab vier Stunden im Auto schlafen. Den Sonnenaufgang erlebten wir, inzwischen weit im östlichen Sachsen, der Oberlausitz, eine Viertelstunde früher als hier im Rheinland. Nach einem Kaffeetrinken in einer Tankstelle lagen noch etwa 50 km vor uns. Nachfolgend holte uns Rainer mit dem Versorgungsauto wieder ein und wir gaben noch einmal allen möglichen Druck auf die Pedale. In guter Sonntagmorgenstimmung, fast entspannt wegen des nahen Ziels der Blauen Lagune bei Görlitz, tauchte plötzlich das offizielle RAG-Auto auf, dem Dieter Göpfert froh gestimmt entstieg und sagte, hier ist jetzt für Euch der Zieleinlauf und übergab uns das Finishertrikot und die Medaille.
Für diesen Zweck hatte wir Frühkölsch im Auto, das wir in ausgelassener Stimmung und auch mit etwas Stolz als das berühmte Schmutzbier genossen.
Wegen der fortgeschrittenen Zeit und weil ich mich zum Frühstück bei meinem etwa 200 km entfernt wohnenden Bruder zum Frühstück angemeldet hatte, verzichteten wir auf den Zieleinlauf im vor uns liegenden, nahen Görlitz. Mit der Einbereichnung der Regenzeitbonifikation betrug meine Bruttofahrzeit 47,5 h.

Fazit:
RAG war die größte sportliche Herausforderung meines Lebens. Alles, was ich sonst radsportlich gemacht habe, wird durch die 800 km Aachen-Görlitz getoppt. Noch vor drei Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, eine solche Tour schaffen zu können. Neben dem sportlichen Aspekt war für mich als ehemaligem DDR-Bürger der sozial-politische Hintergrund sehr wichtig: Als freier Mann, in einem freien Land, aus eigener Kraft, im fortgeschrittenen Alter diese maximale Herausforderung bewältigt zu haben, gibt mir das Gefühl einer tiefen Zufriedenheit und auch etwas Stolz. Dafür bin ich sehr dankbar.
Abschließende Festlegung: RAG AC-Görlitz wird nicht getoppt.
Der RC Dorff gratuliert Roland Fuchs herzlich zu dieser, mehr als außergewöhnlichen Leistung.